Drachenauge
Ein starkes rotes Licht

In der Geschichte vom gespenstigen Ritter heisst die Burg Drackenaug – Drachenauge. Sie gehörte einem Unhold von Ritter, der die Bevölkerung in der Ebene drangsalierte und – im Pakt mit dem Fürsten der Hölle – seine Opfer forderte. Nach vielen missglückten Versuchen gelang es den Talleuten, sich erfolgreich gegen den Missetäter zu wehren. Dieser musste fortan in der Nacht als Drache umgehen und jagen, bis von seiner Burg kein Stein mehr auf dem anderen liegt.

Und so präsentiert sich die im 13. Jahrhundert erbaute Burg heute: Es liegt noch mehr als ein Stein auf dem anderen. Der ehemalige Ritter muss also noch umgehen. Dabei soll ein starkes rotes Licht durch den dunklen Wald schimmern: die Augen des Drachen, die der Burg den Namen gegeben haben.

Zumindest tagsüber lohnt sich ein Streifzug durch das Revier des Drachen, das durch ein inneralpines Trockenklima geprägt ist. Der Wald liegt auf dem kalkreichen Schutt des Flimser Bergsturzes. Auf diesem flachgründigen Standort gedeiht eine vielfältige Flora und Fauna, wie die Felsenmispel, deren Wurzeln tief in die Felsspalten eindringen, der Segelfalter mit einer Flügelspannweite von bis zu 8 cm oder der Berglaubsänger, der sein Nest in Bodenvertiefungen baut. Nachts sind hier Fledermäuse auf der Jagd.

Das Naturwaldreservat “Rhiihalda”, das zur Gemeinde Bonaduz gehört, erlaubt keine Holznutzung. Totholz bleibt liegen und wird zum Ort von neuem Leben. Im Gegensatz zum Mittelalter, wo ab dem 11. Jahrhundert im Talgrund vor allem die Halbinseln in den Biegungen des Rheins urbar gemacht wurden, weidet hier kein Vieh mehr. Der Wald konnte wieder wachsen.

Als unheimlich gilt der Wald unterhalb von Wackenau des Nachts nicht nur wegen des Drachen, der umgehen soll, sondern auch wegen der Jungfrau von Wackenau. Diese sei noch nicht gestorben, sondern sie erscheine mit einer Goldkugel in der Hand und wolle erlöst werden. Drei Nächte mit schrecklichen Tieren müsse aushalten, wer sie erlösen möchte. Das soll nicht ganz einfach sein.
Quellen:
Dietrich Jecklin: Der gespenstige Ritter von Drackenaug. Volkstümliches aus Graubünden
Infotafeln zum Naturwaldreservat "Rhiihalda"
Arnold Büchli: Mythologische Landeskunde von Graubünden